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Die Transmissionshypothese

Die Transmissionshypothese behauptet, daß sexueller Mißbrauch von Jungen in ihrer Kindheit dazu führen kann, daß sie als Erwachsene ihrerseits zu "Tätern" werden und Kinder sexuell mißbrauchen. Dies wird mit Statistiken begründet, die zeigen, daß Erwachsene, die als Kinder mißbraucht wurden, ihre eigenen Kinder mit höherer Wahrscheinlichkeit ebenfalls mißbrauchen.

Die These in der öffentlichen Meinung

Diese Hypothese scheint vor allem bei Journalisten sehr populär zu sein und wird daher über die Medien stark verbreitet. Beim Nichtfachmann kommt normalerweise nur eine stark simplifizierte These, noch dazu als erwiesener Fakt präsentiert, an:

Die Ursache von Pädophilie ist sexueller Mißbrauch in der Kindheit.

In Wirklichkeit gibt es für eine solche Annahme faktisch keinerlei Basis. Es gibt lediglich ein paar Korrelationen zwischen sexuellen Erlebnissen mit Erwachsenen in der Kindheit und späterer Verurteilung wegen Kindesmißbrauchs (siehe Groth 1979, Condy 1987, Langevin & Lang 1985, Langevin 1985, Gebhard 1965, Freund 1990.) Die Studien differieren stark, Sex mit Erwachsenen hatten 5-57% der untersuchten Sexualstraftäter, im Vergleich zu 3-16% bei Nicht-Straftätern.

Ähnliche Erhöhungen treten jedoch auch bei Nicht-Sexualstraftätern oder anderen Sexualstraftaten auf. Angesichts dieser Tatsache dürfte der Effekt kaum mit der sexuellen Orientierung zu tun haben, es bieten sich die verschiedensten möglichen Erklärungen an:

Im Gegensatz zu diesen plausiblen Erklärungsmöglichkeiten erscheint die Hypothese, daß die sexuelle Orientierung "Pädophilie" durch sexuelle Kontakte zu Erwachsenen in der Kindheit geprägt wird, ziemlich künstlich. Pädophile, auch wenn sie lange brauchen, bis sie sich selbst als pädophil erkennen, sind bereits in ihrer Kinder- und Jugendzeit sexuell eher an Kindern interessiert. In dieser Zeit fällt dies weder ihnen selbst noch anderen auf, wenn sie sich an den "altersgemäßen" Sexspielen beteiligen. Jungenliebhaber werden sich in dieser Zeit vielleicht Fragen, ob sie homosexuell sind, diese Ängste zerstreuen sich jedoch schnell, da normalerweise kein sexuelles Interesse an Männern besteht. Die Wahrscheinlichkeit, sich an Sex mit Männern zu beteiligen, ist somit ähnlich groß wie für heterosexuelle Jungen.

Ein Zusammenhang könnte allerdings sein, daß Pädophile, die als Kind selbst eine pädophile Beziehung positiv erlebt haben, weniger geneigt sind, die Vorurteile der Gesellschaft gegen pädophile Beziehungen zu übernehmen, und daher seltener moralische Hemmungen haben, Beziehungen zu Kindern aufzunehmen.

Zusammenhang mit Gewalt

Einen Wert könnte diese These jedoch bei der Aufklärung der Ursachen von sexueller Gewalt gegen Kinder haben. Auch hier sind die Ergebnisse jedoch keineswegs überzeugend und eindeutig. Auf jeden Fall ist klar, daß ihr selbst hier nicht die überragende Rolle zukommt, die sie in der öffentlichen Meinung hat. Nach den retrospektiven Studien wurden 8 - 26% der Delinquenten als Kinder mißbraucht oder vernachlässigt. Dies bedeutet insgesamt: von denen, die mißbraucht wurden, wurde die Mehrzahl nicht delinquent, und von den Delinquenten war die Mehrzahl als Kinder nicht mißbraucht worden. Siehe hierzu Lübke-Westermann, 1995 ode auch Garland 1990 (in Englisch).

Gründe für die Popularität der Theorie

Einer der Gründe für die Popularität dieser Theorie ist sicherlich ihre Einfachheit - was man als Kind lernt, macht man dann als Erwachsener selber. In einer Medienkultur die es kaum gestattet kompliziertere Zusammenhänge zu erläutern ist es auch nicht verwunderlich wenn sich eine simple These in der öffentlichen Meinung durchsetzt.

Ich vermute jedoch daß es noch einen anderen Grund für die Popularität dieser Theorie gibt, den ich kurz erläutern möchte:

Diese Theorie eignet sich hervorragend, um scharfe Unterdrückungsmaßnahmen gegen Pädophile zu begründen. Stimmt die Theorie, dann sind insbesondere die homosexuellen Pädophilen keine Gruppe von in etwa immer gleichgroßem Anteil an der Gesamtbevölkerung, sondern sie können sich einerseits epedemisch vermehren, andererseits aber erfolgreich vernichtet werden, wenn man sie alle kriegt und unschädlich macht. Jedes Nachlassen im Kampf gegen sie bedeutet ihre weitere umgehemmte Ausbreitung.

Im Gegensatz dazu würde die These, daß es genetische, hormonelle oder andere nicht kontrollierbare Ursachen gäbe, dazu führen, daß der Kampf gegen Pädophile zum Kampf gegen Windmühlenflügel wird - sie wachsen immer wieder nach, sooft man sie auch kriegt.

Dieser Unterschied ist sicherlich einer der Gründe für die Popularität dieser Theorie. Man ist schnell geneigt, eine Erklärung, die eigenes Handeln sinnvoll erscheinen läßt, einer Erklärung, die solche Handlungen sinnlos macht, vorzuziehen. Es ist aber auch nicht auszuschließen, daß einige Aktivisten der "child abuse industry" diese Theorie bewußt favorisieren, um die "Gefahr" und damit Gelder zu deren "Bekämpfung" zu vergrößern.