[Base] [Index]

Schetsche Michael

Der 'einvernehmliche' Mißbrauch: Zur Problematik der Begründung des sexualstrafrechtlichen Schutzes von Kindern und Jugendlichen

Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Bd.77 H.4, S.201-214 (1994)

Zusammenfassung

Der Aufsatz geht der Frage nach, wie das absolute Verbot sexueller Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern im Rahmen eines Sexualstrafrechts rational begründet werden kann, das programmatisch ausschließlich auf den Schutz des sexuellen Selbstbestimmungsrechts der Individuen abhebt. Es wird aufgezeigt, warum alle drei in der Fachliteratur gemachten Vorschläge zur Lösung dieses Problems unzureichend sind. Am Ende der rechtssoziologischen Erwägungen steht das ernüchternde Fazit, daß Kindern - zumindest auf der Basis des heutigen Strafrechts - kein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zugestanden werden darf, wenn sie umfassend vor sexueller Ausbeutung durch Erwachsene geschützt werden sollen.

Auszüge

2. Historisches: Von der schweren Unzucht zum sexuellen Missbrauch

Das offizielle Rechtsgut: Die ungestörte sexuelle Entwicklung

3. Problematisches: "What's wrong with sex between adults and children?"

3. Vorschlag: Disparität der Wünsche

4. Ungeeignetes: Das Strafrecht als Garant des sexuellen Selbstbestimmungsrechts

[Maßstäbe]

Short Reviews

vom Autor

Am Beispiel des § 176 StGB ("Sexueller Mißbrauch von Kindern") geht der Aufsatz einem Widerspruch nach, der das bundesdeutsche Sexualstrafrecht seit Anfang der siebziger Jahre prägt: Während die Überschrift des entsprechenden Abschnitts des Strafgesetzbuches suggeriert, daß die folgenden Paragraphen ausschließlich dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung des Individuums dienen, sind viele einzelne Bestimmungen tatsächlich an ganz anderen Rechtsgütern orientiert. Im fachöffentlichen Diskurs finden sich heute drei 'Modelle', mit deren Hilfe das absolute Verbot sexueller Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern mit der Prämisse des Schutzes des Selbstbestimmungsrechts in Einklang gebracht werden soll. Der Aufsatz zeigt auf, warum alle drei Vorschläge unzureichend sind und warum - zumindest auf Basis des heutigen Strafrechts - Kindern kein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zugestanden werden kann, wenn sie umfassend vor sexueller Ausbeutung durch Erwachsene geschützt werden sollen.

von Mike

Eine sehr gute Arbeit, in der die Unzulänglichkeit der verschiedenen Ansätze, eine rationale Begründung für das irrationale Tabu Sex mit Kindern zu finden, gezeigt wird. Er zeigt auf, wie rationales Strafrecht, das die sexuelle Selbstbestimmung schützt, aussehen müßte.

Im letzten Teil wird jedoch daraus nicht etwa die Konsequenz gezogen, daß die Gesetze entsprechend zu modifizieren seien. Nein, die anzunehmende höhere Belastung der Gerichte durch genauere Beurteilung des Einzelfalls ("spätestens hier beginnt der Alptraum für jeden Juristen und jede Juristin") ist Grund genug, sich mit der Beibehaltung des erkannten Unrechts abzufinden: "werden wir uns wohl damit abfinden müssen, daß das Strafrecht weiterhin sexualbezogene Tatbestände enthält, deren Schutzgut nicht die sexuelle Selbstbestimmung ist. Alle Sexualkontakte zwischen Erwachsenen und Kindern sind strafrechtlich verboten - und werden es auch bleiben -, weil das Strafrecht kein geeignetes Mittel zur differenzierten Beurteilung des ethischen Gehalts komplexer sozialer Interaktionen ist."

Nun, jetzt wissen wir Pädophilen, warum wir ins Gefängnis müssen - weil die Gerichte keine Lust haben, uns wirkliche Schuld nachzuweisen. Schöne Gerechtigkeit.