[Base] [Index]

Rasmussen

Die Bedeutung sexueller Attentate auf Kinder unter 14 Jahren für die Entwicklung von Geisteskrankheiten und Charakteranomalien

Acta psychiatrica et neurol., S. 351 ff (1934)

nach Baurmann 1983, S.172-173

Rasmussen [...] besorgte sich die Akten zu verurteilten Sexualkontakten, denen rechtsmedizinische Gutachten beilagen. Abgesehen von diesen Selektionskriterien - so Rasmussen - "ist das Meterial nicht ausgewählt; es sind Kinder in jedem Alter dabei, je nachdem sie in dem Material erschienen, ebenso Sittlichkeitsverbrechen jeder Art. Ursprünglich bestand die Absicht, nur Fälle gröberer Natur zu benutzen, um die Nachuntersuchungen auf diejenigen Fälle zu konzentrieren, wo das Verbrechen in seiner reinsten Form auftrat; es zeigte sich jedoch, daß die Zahl solcher Fälle zu gering war." (S. 352) ... "Im ganzen sind 77 Strafsachen durchgearbeitet worden und, da sich der Verbrecher in 22 Fällen gegen mehr als 1 Kind vergangen hat, entsprechen diesen 77 Akten 105 Kinder. Bei 54 dieser 105 werden positive Auskünfte beschafft. In 10 Fällen gibt das Aktenmaterial keine Anhaltspunkte zur Nachforschung, und in den übrigen 41 Fällen ist teilweise keine Antwort auf die gestellten Fragen eingegangen, teils die Antwort, daß die Betreffende unbekannt ist. (S. 352 f.)

Stärkere körperliche Schäden konnte Rasmussen nur in einem Fall der von ihr untersuchten deklarierten Opfer feststellen. Zu den psychischen Schäden faßt sie zusammen: "Schließlich liegt bei einer Reihe von Kindern die Gefahr vor, moralisch zu versumpfen, indem sie, dank der Leichtigkeit, mit der sich das Verbrechen wiederholen läßt, in ein festes sexuelles Verhältnis hineingeraten sind. Die Nachuntersuchungen (also die 54) haben erwiesen, daß die meisten der in diese Gewohnheit gekommenen Kinder - nachdem infolge der Strafsache diese schülen Verhältnisse aufgerüttelt waren - auf schickliche Weise in der Welt vorwärts kamen, ohne psychisch krankhafte Erscheinungen. Krankhafte Wirkungen auf das Seelenleben infolge der Handlungen hat man in diesem Material überhaupt nicht nachweisen können; ebenso wenig scheint das Leben der Gekränkten in anderer Weise durch die Affäre gestempelt zu sein: damit sei aber nicht gesagt, daß es nicht, wie jedes andere im Gedächtnis behaltene Erlebnis, Bedeutung für sie gehabt hat oder noch hat." (S. 432)

Schließlich geht Rasmussen noch auf die besondere Schwierigkeit ein, mit der sich eine viktimologische Untersuchung auseinanderzusetzen hat, die sich mit den Schäden bei Sexualopfern beschäftigt: "Ich bin mir des schwachen Punktes in meiner Arbeit bewußt, daß die Auskünfte nur in spärlichem Umfang direkt von den Gekränkten selbst eingeholt sind. Wenn ich keine persönlichen Untersuchungen vorgenommen habe, so ist dies aus verschiedenen Gründen geschehen. In erster Linie fürchtete ich, daß die Berührung eines so peinlichen Themas aufregend oder sogar schädlich wirken könne, wenn der Untersuchende ein Fremder war, der die Betreffenden ganz unvermittelt zu diesem Zweck aufsuchte. Außerdem ist ja das Thema selbst von dolcher Beschaffenheit, daß mir ein möglichst diskretes Vorgehen notwendig erschien. Hierzu kommt die praktische Schwierigkeit, daß alle in verschiedenen Teilen des Landes wohnen. (S. 432 f)