[Base] [Index]

Moggi F.

Emotion, Kognitive Bewertung und Inzest

Universitätsbuchhandlung Freiburg, Schweiz (1994)

"Wir verglichen eine Gruppe von Frauen, die angab, zum heutigen Zeitpunkt nicht unter der sexuellen Ausbeutung in der Kindheit zu leiden (= Nichtleidende), mit einer Gruppe von Frauen, die als Langzeitfolgen ihrer in der Kindheit erfolgten sexuellen Ausbeutung Beeintr&aumml;chtigungen der seelischen Gesundheit bekundeten (= Geschädigte), um hypothesengenerierend Unterschiede in den Merkmalen der sexuellen Mißhandlung in der Kindheit festzuhalten."

"Geschädigte Frauen unterscheiden sich von Nichleidenden insofern, daß sie vermehrt von sich denken, sie könnten ihre Umwelt nicht - oder nur schwach - nach ihren Wünschen beeinflussen. Sie glauben eher, daß sie über keine Handlungsmöglichkeiten verfügen, um ihre Ziele zu erreichen und Probleme zu lösen. Dem entsprechend erweisen sie sich hilfloser und weisen mehr und stärkere depressive Symptome auf. Gleichzeitig ist ihre Selbstwertschäzung geringer"

"Finkelhor und Browne (1988) fassen in ihrer Review über empirische Studien zusammen, daß wiederholte, langandauernde sexuelle Ausbeutung in der Kindheit mit psychischen Störungen im Erwachsenenalter korelliere. Wenn Nahverwandte wie Väter und Stiefväter die Täter waren und/oder wenn sexuelle Ausbeutung durch Gewalt erzwungen wurde, ergab sich ein starker Zusammenhang mit psychischen Störungen (vgl. auch Finkelhor et al 1990, Draijer 1990 Finkelhor 1979). Bagley & Ramsey (1985) konnten zudem mit einer multivarianten Analyse zeigen, daß Geschlechtsverkehr der wichtigste Prädikator für das Auftreten psychischer Störungen ist. Ferner ergaben Studien zur Unterstützung der Opfer durch ihre Eltern ein recht eindeutiges Bild.

Hingegen ist es nach Finkelhor & Browne (1988) bis heute mit Ausnahme von Geschlechtsverkehr unklar, ob und wie stark der einfluß der Art der sexuellen Kontakte, der oft durch den Täter erpreßten Geheimhaltungspflicht und des Alters zu Beginn der sexuellen Mißhandlung auf die seelische Gesundheit ist."

Die statistischen Korrellationen zwischen den Merkmalen der sexuellen Kindesmißhandlung und der abhängigen Variablen Geschädigt vs. Nichtleidend zeigt eine Tabelle auf S. 117. Hierbei ist Art der Mißhandlung unterschieden nach ohne oder mit physischem Kontakt bzw. Geschlechtsverkehr, Zugang des Täters nach 5 Stufen vom Einverständnis des Opfers bis zur körperlichen Gewaltanwendung.


Prädikatoren                 Betaregressionsgewicht   Kriteriumskorr.

Art der Mißhandlung -.01 -.10 Zugang des Täters .39 **** .40 **** Dauer des Mißbrauchs .11 .08 Beginn des Mißbrauchs -.08 -.15 * Ende des Mißbrauchs .07 .03 Bekanntheitsgrad des Täters .15 ** .26 *** Anzahl der Täter .11 .18 ** Kenntnis Dritter .08 .17 ** Kenntnis Öffentl. Stellen .10 -.11
Multiple Regression .45 **** Adj. R2=.19 ****: p<0.001 ***: p<0.01 **: p<0.05 *: p<0.1
Der Bekanntheitsgrad des Opfers und die Gewaltanwendung sind zwei der wenigen Bedingungen, die hier und in anderen Untersuchungen immer wieder als wichtige Faktoren für das Ausmaß des Traumas gefunden werden. Lediglich die hohe Bedeutung des Geschlechtsverkehrs, wie er von Bagley & Ramsey (1985) herausgehoben wurde, konnte nicht nachgewiesen werden.

Finkelhor & Browne (1988) und Draijer (1990) wiesen darauf hin, daß die Beziehungsnähe und Vorkommen von Gewalt Einfluß auf die Schädigung des Opfers habe, und zwar, wie Feinauer (1989) feststellt, im Sinne einer Disposition zur Depression.