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Kirchhoff & Kirchhoff

Erlebte Sexualdelikte. Zur versteckten sexuellen Viktimisation.

Sozialpädagogische Blätter, S.110 ff; (1979)

aus: Baurmann 1983, S. 106

In der Bundesrepublik befragten Kirchhoff und Thelen bzw. Kirchhoff und Kirchhoff in den Jahren 1974 bis 1976 jeweils die Erstsemester mit einem Fragebogen, der unter Aufsicht zweier Mitarbeiter anonym ausgefüllt werden konnte. Von den 130 weiblichen und 113 männlichen Studenten (Summe = 243) wurden 240 bzw. 116 erlebte sexuelle Kontakte berichtet. Die Dunkelfeldzahlen, die Kirchhoff/Kirchhoff fanden, lassen sich nur bedingt mit denen der anderen Untersuchungen vergleichen, weil das Alter z.Z. der damaligen Viktimisation zu wenig aufgeschlüsselt ist. Insgesamt, also unter Einbeziehung von Opferwerdungen in der Jugendzeit und Adoleszenz, lassen sich für die Mönchengladbacher Studentengruppe Dunkelziffern von 1:25 (für Frauen) bis zu 1:50 (für Männer) berechnen. Wenn die Aussagen zu denerlebten sexuellen Mißbräuchen in der Kindheit separat betrachtet werden, dann wird deutlich, daß annähernd 37% der Studentinnen und 45% der Studenten als Kinder solche Erlebnisse hatten.

Insgesamt erklärten bei der Mönchengladbacher Studie 55% der Befragten, daß sie wenigstens einmal sexuell viktimisiert worden waren. In einer ähnlichen Studie, die die Autoren zuvor in Kalamazoo/Michigan gemacht hatten, waren es 95%.

aus Baurmann 1983, S. 188

Während sie in der Befragung von Studenten aus Michigan/USA lediglich das Verhalten des perzipierten Opfers ("kooperativ", "Widerstand gezeigt") bzw. das Verhalten des Täters ("Zwand, Gewalt") eruiert hatten, sollten die Mönchengladbacher Studenten auch ihre eigene psychische Reaktion auf das damals erlebte Sexualdelikt ankreuzen. Leider haben Kirchhoff/Kirchhoff nicht auf die differenzierte Fragestellung von Fikentscher u.a. oder, was noch vorteilhafter gewesen wäre, von Landis oder Burton aufgegriffen. In Mönchengladbach wurden die Studenten anscheinend nur gefragt, ob ihnen das Erlebnis damals "zuwider war oder nachhaltig schockierend" auf sie gewirkt hatte. Eine andere Wahl außer oder zwischen diesen beiden Antwortmöglichkeiten gab es anscheinend nicht.

Von den 195 sexuellen Viktimisationen, die die Studentinnen erlebt hatten, wurden 49,2% als widerwärtig oder schockierend beschrieben, Bei den 107 sexuellen Viktimisationen der Studenten waren es 15,9%.

Kirchhoff/Kirchhoff glauben selbst, daß ihre Fragen zu den Folgen des Sexualkontakts nicht sehr eindeutig waren. Insofern können ihre Ergebnisse hier nur einen begrenzten Aussagewert haben.