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Freud S.

Aus der Geschichte einer infantilen Neurose ["Der Wolfsmann"]

(1918)

in: D. Simon (ed.) Sigmund Freud, Essays, Berlin: Volk und Welt 1988, Bd.II, pp.403-531

Einige Zitate

[p.423] Er begann [im Alter von ~ 3 1/2 Jahren] vor der Nanja mit seinem Glied zu spielen, was, wie in so vielen anderen Fällen, wenn Kinder die Onanier nicht verbergen, als Verführungsversuch aufgefaßt werden muß. Die Nanja enttäuschte ihn, sie machte ein ernstes Gesicht und erklärte,das sein nicht gut. Kinder, die das täten, bekämen an der Stelle eine "Wunde".

[p.424] Er erzählt, daß er nach der Abweisung und Drohung der Nanja die Onanie bald aufgab. Das beginnende Sexualleben unter der Leitung der Genitalzone war also einer äußeren Hemmung erlegen und durch deren Einfluß auf eine frühere Phase prägenitaler Organisation zurückgeworfen worden. Infolge der Unterdrückung [p.425] der Onanie nahm das Sexualleben des Knaben sadistisch-analen Charakter an. Er wurde reizbar, quälerisch, befriedigte sich in solcher Weise an Tieren und Menschen. Sein Hauptobjekt was die geliebte Nanja, die er zu peinigen verstand, bis sie in Tränen ausbrach. So rächte er sich an ihr für die erfahrene Abweisung und befriedigte gleichzeitig sein sexuelles Gelüste in der der regressiven Phase entsprechenden Form.

Er begann Grausamkeit gegen kleine Tiere zu üben, Fliegen zu fangen, um ihnen die Flügel auszureißen, Käfer zu zertreten; in seiner Phantasie liebte er es, auch große Tiere, Pferde, zu schlagen.

[p.509, footnote 94] Ich gebe zu, daß diese Frage die heikelste der ganzen analytischen Lehre ist. Ich habe nicht der Mitteilungen von Adler und Jung bedurft, um mich mit der Möglichkeit kritisch zu beschäftigen, daß diese von der Analyse behaupteten, vergessenen Kindheitserlebnisse - in unwahrscheinlich früher Kindheit erlebt! - vielmehr auf Phantisien beruhen, die bei späten Anlässen geschaffen werden, und daß man überall dort die Äußerung eines konstitutionellen Moments oder einer phylogenetisch erhaltenen Disposition anzunehmen habe, wo man die Nachwirkung eines solchen infantilen Eindrucks in den Analysen zu finden glaubt. Im Gegenteile, kein Zweifel hat mich mehr in Anspruch genommen, keine andere Unsicherheit entschiedener von Publikationen zurückgehalten. Sowohl die Rolle der Phantasien für die Symptombildung als uach das "Zurückphantasieren" von späteren Anregungen her in die Kindheit und das nachträgliche Sexualisieren derselben habe ich als erster kennengelernt, worauf keiner der Gegner hingewiesen hat (Siehe Traumdeutung, I. Auflage und Bemerkungen über einen Fall von Zwangneurose). Wenn ich dennoch die schwierigere und unwahrscheinlichere Auffassung als die meinige festgehalten habe, so geschah es mit Argumenten, wie sie der hier beschriebene Fall oder jede andere infantile Neurose dem Untersucher aufdrängen und die ich jetzt neuerdings den Lesern zur Entscheidung vorlege.