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Dawes R.M.

House of Cards: Psychology and Psychotherapy Built on Myth

The Free Press: New York (1994)

aus: Nuber 1995, S. 72-73

Wie viele andere verweist zum Beispiel der amerikanische Psychologie-Professor Robin M. Dawes auf die neuen Erkenntnisse der Wissenschaft, die den angeblich so großen Einfluß der frühen Kindheit sehr zusammenschrumpfen lassen. Für Dawes ist der Glaube an den determinierenden Einfluß früher Geschehnisse vergleichbar mit dem Glauben an einen Berggott: Für beides gibt es seiner Meinung nach keinerlei Grundlagen. Beide Glaubenssysteme ziehen die Menschen in ihren Bann, indem sie ihnen einreden, sie könnten sich von ihren Problemen freikaufen - entweder, indem sie einem mächtigen Berggott opfern, oder, indem sie einem Kindheitstherapeuten, den sie fürstlich entlohnen, über die Schrecken ihrer Kindheit berichten. Aber es sind eben Glaubenssysteme, die mit der Realität nicht allzuviel zu tun haben.

Den weitverbreiteten Glauben an die Macht der Kindheit erklärt Dawes mit unserer großen Bereitschaft, Autoritäten ungefragt anzuerkennen und uns der Meinung von Experten zu unterwerfen. Wenn uns diese Experten Dinge erzählen, die wir ohnehin schon denken und glauben, dann führt das zu einer Verfestigung und Stärkung dieses Glaubens. Da wir umzingelt sind von Aussagen über den Einfluß der Kindheit, rennen die Psychoexperten offene Türen ein, wenn sie uns immer wieder erzählen, welch negative und schreckliche Auswirkungen bestimmte Erlebnisse in der Kindheit haben können. Aber, so warnt Robin M. Dawes, wir sollten aufhören, weiter daran zu glauben. Statt dessen sollten wir jenen Psychologen und Psychiatern vertrauen, die psychologisches Wissen an Menschen weitergeben wollen, damit diese unabhängiger von Autoritäten und Experten werden.