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Borneman Ernest

Das Geschlechtsleben des Kindes; Beitraege zur Kinderanalyse und Sexualpaedologie

dtv Muenchen (1988)

S. 182 Kapitel 19: "Linke und Kinder; Probleme einer fortschrittlichen Sexualerziehung"

Die meisten meiner Kollegen und Freunde, die sich als "fortschrittlich" betrachten, glauben nicht mehr an Freuds Diktum des unweigerlich traumatisierenden Effekts der "Urszene", des Anblicks elterlicher Sexualhandlungen. Worauf sie niemand - auch Wilhelm Reich nicht - vorbereitet hat, ist die Tatsache, dass Kinder keine Voyeure sind. Erblicken sie ihre Eltern beim Geschlechtsverkehr, so wollen sie mitmachen. Wenn der kleine Bub sagt, "Mammi, ich auch!" oder das kleine Maedchen: "Vati, lass mich mal!", dann brechen alle guten Vorsaetze der Gleichberechtigung von Eltern und Kindern zusammen. Resultat: Angst, Impotenz, Frigiditaet.

Ein normales Kleinkind, das seinen Vater beim Cunnilingus erspaeht, will AUCH an der Scheide der Mutter lecken. Ein gesundes Kleinkind, das seine Mutter bei der Fellatio erblickt, will Vatis Schwanz AUCH in den Mund nehmen. Darauf hat niemand die linken Eltern vorbereitet. Da sie wissen, dass Geschlechtsverkehr zwischen Eltern und Kindern mit den schwersten Strafen bedacht wird, hoeren sie also meist auf, mit ihren Kindern sexuell gleichberechtigt umzugehen, ehe sie ueberhaupt damit angefangen haben.

Was bedeutet das? Es bedeutet, dass die Vorstellung, wir koennen unsere Kinder sexuell befreien, sich bei der ersten Ueberpruefung als Irrtum herausstellt. Zumindest, wenn man nicht von vornherein die Thesen der "freien" Sexualitaet einer Pruefung unterzogen hat. ERFAHRUNG NR. 1: Es gibt keine Form der gesunden Kindererziehung, die nicht mit den Paragraphen des BGB und des StGB kollidiert. [...]