[Base] [Index] [English]

Landis, J.T.

Experiences of 500 Children with Adult Sexual Deviation

Psychiatric Quarterly Supplement, 30: 91-109 (1956)

aus Baurmann 1983

In den frühen 50er Jahren erstellte Landis mit seinen Mitarbeitern einen sehr guten Untersuchungsplan, um das Dunkelfeld sexueller Viktimisation und die Schäden beim Opfer gleichzeitig erfahren zu können. Die Hauptfragestellungen der Untersuchung, die sich mit Sexualkontakten zwischen Kindern und Erwachsenen beschäftigte, waren:
  1. das Ausmaß des sexuellen Kontakts;
  2. die Arten des Sexualkontakts;
  3. die Wirkungen auf das Opfer;
  4. der Zusammenhang zwischen Schaden beim Opfer und Bekanntschaftsgrad;
  5. der Einfluß des Milieus des Opfers auf die Intensität der Handlung.
Von 1800 anonym befragten Studenten und Studentinnen der Jahre 1951 bis 1954 hatten 30% der Männer und 35% der Frauen (N=500) wenigstens einen strafbaren Sexualkontakt bis zur Adoleszenz erlebt. Insgesamt berichteten diese 500 Personen von 746 strafbaren Sexualkontakten aus ihrer Kindheit. Tabelle 4 Strafbare sexuelle Kontakte, die die von Landis befragten Personen in ihrer Kindheit mit Erwachsenen erlebt hatten (N bei Männern: 215 Sexualkontakte; N bei Frauen: 531 Sexualkontakte)
Art des Sexualkontakts (in %)              Männer    Frauen
-------------------------------------------------------------
Der Erwachsene
  zeigte sein Glied                          4,7      54,8
  berührte das Kind sexuell                  0,4      26,9
  näherte sich homosexuell                  83,8       1,5
  zog das Kind aus oder versuchte es         0,9       2,5
  zeigte Interesse an, versuchte oder	     0,4       8,5
    vollführte Koitus
  instruierte über Masturbation              8,3       1,5
  versuchte oder beging Vergewaltigung        -        1,9
    beim Kind
  machte sonstiges                            -        0,9
ohne nähere Angabe                           1,4       1,5
--------------------------------------------------------------
                                           100,0     100,0
Bei dieser Befragung von Studenten wurde deutlich, daß etwa 14% der Männer und 23,5% der Frauen in der Kindheit strafbare sexuelle Kontakte erlebt hatten, und zwar durchschnittlich 1,5 solcher Kontakte pro Kind. Jungen erlebten vorwiegend homosexuelle Kontakte, während Mädchen vorwiegend von erlebten exhibitionistischen Handlungen und oberflächlichen sexuellen Berührungen berichteten. Wenn man aus Landis' Material die Dunkelziffer für sexuelle Viktimisationen berechnet, dann kommt man für amerikanische Jungen und Mädchen auf etwa 1:11,6. Für Mädchen allein liegt sie - ähnlich wie bei Kinsey - bei etwa 1:13. Die damals noch sehr hohe Dunkelziffer für männlich-homosexuelle Handlungen kam hier wohl erst nach der Pubertät voll zur Geltung.

aus Baurmann 1983, S. 177 ff

Landis ging bei seiner Untersuchung 1956 einen neuen Weg. Er befragte die ehemaligen perzipierten Sexualopfer, wie sie den strafbaren Sexualkontakt erlebt und verarbeitet hatten. Dabei wurden sowohl Sexualopfer aus den Dunkel- als auch aus dem Hellfeld befragt. Diese Befragung zu den Folgen des Sexualkontakts ist eine der detailliertesten an einer größeren Stichprobe von Sexualopfern. Mit der ersten Frage au den Auswirkungen sollte erforscht werden, wie die erste Reaktion des Opfers auf den strafbaren Sexualkontakt war (Siehe Tab. 11, S. 178) Aus Tabelle 11 wird deutlich, daß etwa 43% der weiblichen und etwa 20% der männlichen Opfer schockiert waren bzw. starke emotionale Störungen empfunden hatten. Zusätzlich empfanden 33% (weibliche) bzw. ca. 25% (männliche) Opfer Angst. Das bedeutet, daß etwa 80% der weiblichen und etwa 45% der männlichen Sexualopfer durch das sexuelle Erlebnis unangenehm berührt waren.
Tabelle 11

Die sofortige Reaktion des Sexualopfers beim strafbaren Sexualkontakt
(aus einer Opferbefragung an 500 College Studenten, nach Landis, Tab. 5, S. 98)

Reaktionen (in %)      	       	       	       Männer (N=215)   Frauen (N=531)
------------------------------------------------------------------------------
ich war interessiert   	       	       	       	    6,4		    2,1

ich war überrascht, aber nicht ängstlich	   32,9  	   14,6

ich hatte Angst					   25,7    	   33,2

ich war schockiert				   12,9    	   25,3

ich war emotional stark gestört/		    7,2   	   17,6
ganz außer Fassung

sonstiges					   13,7        	    6,3
Landis präzisierte dann seine Fragen an die ehemaligen Opfer. Er wollte zusätzlich wissen, wie lange das Opfer brauchte, um einen Schock oder eine Störung zu verarbeiten, wenn solche Schäden vorgelegen hatten.
Zeitraum, der für das Opfer notwendig war, um sich von dem emotionalen
Schock zu erholen, der durch den strafbaren Sexualkontakt ausgelöst worden
war (nach Landis, Tab. 7, S. 101)

benötigter Zeitraum (in %)           Männer (N=215)     Frauen (N=531)
-------------------------------------------------------------------------
kein Schock                             68,0               24,7
kurze Zeit		   	        10,0		   16,9
Tage			   	        13,5    	   17,8
Wochen			   	         6,5    	   21,9
1 Jahr und länger	   	         2,0    	   11,4
bis heute noch nicht erholt	           -                8,7

Aus dieser Tabelle wird deutlich, daß etwa 20% der weiblichen und nur 2% der männlichen Opfer über ein Jahr unter dem sexuellen Ereignis gelitten haben. 42% der Frauen und etwa 9% der Männer erinnern sich, wenigstens ein paar Wochen oder länger gebraucht zu haben, um mit dem Erlebnis fertig zu werden. Bei 58% (weibliche Opfer) bzw. 91% (männliche Opfer) war das Erlebnis nach ein paar Tagen schon wieder vergessen.

Landis ging der subjektiven Schadenseinschätzung aber noch genauer nach. Jeder der Studenten sollte einschätzen, ob er oder sie sich durch den strafbaren sexuellen Kontakt bezüglich seiner oder ihrer weiteren emotionalen Entwicklung geschädigt gefühlt habe.

Ausmaß der empfundenen Schäden bei Opfern von strafbaren Sexualkontakten
(nach Landis, S. 101)
		       	    keine      	    zeitweise  	    dauernde
			    Schädigung      Schädigung      Schädigung

weibliche Opfer	(N=531)	    66%        	    30%        	    3%

männliche Opfer (N=215)	    81%   	    19%   	    -

Schließlich fragte Landis seine Studenten, ob durch das strafbare Sexualerlebnis ihre sexuelle Einstellung, ihr Sexualleben geschädigt worden sei. Die Antwort war ganz offensichtlich abhängig von der Art des Sexualkontakts, den die Opfer erlebt hatten. Zusammenfassend für alle Deliktarten sind die Antworten zu dieser Frage in Tab. 14 dargestellt:

Tabelle 14

Anzahl der Opfer, die sich durch den strafbaren Sexualkontakt in ihren
sexuellen Empfindungen und Gefühlen gestört empfanden (nach Landis
S. 101)

		       	    keine      	    zeitweise  	    dauerhafte
       	       	       	    Störung der     Störung der     Störung der
       	       	       	    sex. Empfind.   sex. Empfind.   sex. Empfind.

weibliche Opfer	(N=531)	    70,0%      	    26,0%      	    2,2%

männliche Opfer (N=215)	    80,0%           17,0% 	    0,4%

Anhand der Ergebnisse von Landis zu den Folgen des strafbaren Sexualkontakts wird deutlich,

Es gab später kaum noch eine Arbeit, bei der versucht worden war, mit ähnlichen differenzierten quantitativen Methoden der Frage nach den Auswirkungen von strafbaren Sexualkontakten nachzugehen. Die Ergebnisse der Untersuchung geben zu denken. Ungeklärt bleibt bei Landis allerdings die Frage nach der Kausalität der berichteten Schäden. Landis trennte beispielsweise noch nicht zwischen primären und sekundären Schäden.